Mal eben schnell die Blutwerte checken ...

Smartphones können mittlerweile eine ganze Reihe von Körperdaten messen. Das hoch interessante Blutbild zu erfassen ging bisher nicht. Doch jetzt meldet ein Startup den Durchbruch

Das erste Mal meinen Puls gemessen mit einem Smartphone … das muss vor etwa zehn Jahren gewesen sein. Das war aufregend. Vor allem weil ich zunächst nicht nachvollziehen konnte, wie das eigentlich funktioniert. Es war aber auch ernüchternd, weil es oft nicht funktioniert hat. Das lag wohl unter anderem an der Qualität der in den Handys eingebauten Kameras.

Heute klappt das eigentlich immer. Die Kameras nehmen hochauflösende Bilder auf, die Software ist dank KI ziemlich ausgereift. Und längst geht es nicht mehr nur um den Puls. Dank neuer Sensoren – die mal im Smartphone, mal in der Smartwatch eingebaut sind – wird nicht nur der Puls gemessen. Schrittzähler, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, ja sogar Elektrokardiogramme (EKG) erfassen die Geräte. Die Genauigkeit variiert. Ebenso der Nutzen. Ein EKG per Smartwatch zu messen hört sich toll an. Allerdings taugt die Präzision derzeit nicht aus, um zum Beispiel einen Herzinfarkt festzustellen.

Glaubt man den Meldungen, arbeitet das israelische Unternehmen Binah.ai gerade daran, den Blutdruck per Handy zu messen. Man steckt aber offenbar noch am Anfang bei diesem Vorhaben.

Es gibt da noch so eine Art Heiligen Gral, wenn es um Gesundheits-Messwerte geht. Wer den findet – oder vielmehr erfindet – dem sollte Ruhm, Ehre und wahrscheinlich auch einiges an Geld zustehen.

Ich spreche von Blutwerten.

Blutwerte – häufig wird vom Blutbild gesprochen – helfen bei zahlreichen Erkrankungen, eine Diagnose zu stellen, den Verlauf einer Therapie zu beobachten und vieles mehr. Bisher eine Domäne ausschließlich in den Händen der Labormediziner. Und ein gutes Geschäft.

Doch wie lange noch? Natürlich haben sich längst Techniker und Wissenschaftler auf dem Weg gemacht, den Heiligen-Blutbild-Gral zu (er)finden. Jetzt gibt es eine erste Erfolgsmeldung. Das britische Unternehmen PocDoc will im Frühjahr ein System auf den Markt bringen, das in sechs Minuten Auskunft über die wichtigsten Blutwerte für Herzerkrankungen gibt.

Alles, was der User machen muss, ist mit einer Pinzette einen kleiner Piks in die Haut stechen, um einen Tropfen Blut zu bekommen. Dieses Bluttropen wird dann auf ein kleine Testfläche gebracht. Das Ganze funktioniert so ähnlich wie ein Corona-Schnelltest. Nach ein paar Minuten wird die Testfläche mit dem Smartphone abfotografiert und per App zu PocDoc geschickt. Kurze Zeit später kommt das Ergebnis.

Gemessen werden die Cholesterin-Werte im Blut. Sie dienen dazu Menschen ausfindig zu machen, die ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt haben. Oder vielleicht schon kurz davor stehen. Davon gibt es so einige. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr etwa 50.000 Menschen an einem Herzinfarkt. Diese Menschen rechtzeitig – also vor einem Infarkt – ausfindig zu machen, würde viel Leid und auch Geld sparen.

Das Start-up hat vor kurzem seine Seed-Runde abgeschlossen und dabei erfolgreich 3,2 Millionen US-Dollar erhalten, von zwei hochkarätigen VCs, Forward Partners und MMC, sowie namhaften Angels, darunter der Gründer von Ada Health und der Gründungs-CEO von DoctorCareAnywhere.

Wird in Zukunft also jeder nach Belieben seine Blutwerte selbst messen? Droht medizinischen Laboren das Aus? Wohl kaum. Blutwerte dienen nicht nur dazu Herzerkrankungen zu entdecken. Bei weitem nicht. Und das Ergebnis eines Selbst-Bluttests dürfte auch erstmal nicht ausreichen, um eine sichere Diagnose zu stellen. Soll heißen: Dem Selbsttest wird einem Test im Labor folgen. Bei dem ja auch viel mehr Werte gemessen werden.

Dennoch: Das Rad dreht sich immer weiter. PocDoc ist erst der Anfang. Wer weiß, was in fünf oder zehn Jahren so alles möglich sein wird mit diesen kleinen Geräten, die wir ständig mit uns herumtragen? PocDoc arbeitet bereits an Tests für Diabetes-Typ-2 sowie Leber- und Nierenerkrankungen.

Von Burkhardt Röper, 31. März 2022 · Bild: myriamzilles@unsplash





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