Kontrollierter Rausch gegen Depressionen

Forscher beschäftigen sich wieder mit psychedelischen Wirkstoffen in der Medizin. Auch Investoren interessiert das Thema zunehmend

Da fragt man sich ja schon, was die Mitarbeiter hier den ganzen Tag so machen. An einer Forschungsgruppe, die untersucht, ob und wie psychedelische Mittel – dazu zählen auch Rauschmittel wie LSD oder Psilocybin („Magic Mushrooms“) – sich eventuell für die Behandlung von Depressionen eignen. Wie forscht man in so einem Labor? In Form von Selbstexperimenten?

Nein, natürlich nicht. Und das Thema ist viel zu ernst, um solche Scherze zu machen. Um die mentale Gesundheit in der westlichen Welt stand es schon vor Covid-19 nicht besonders gut. Lockdown, Selbstisolation und Kontaktbeschränkungen haben die Lage weiter verschlechtert. Der Bedarf an Therapeuten und Therapien ist riesig. Der weltweite Markt für Antidepressiva wird auf 28 Milliarden US-Dollar geschätzt. Ein gutes Geschäft, sollte man meinen. Es gibt nur ein Problem: Es fehlen Wirkstoffe, die wirklich gut helfen.

Immerhin, es wird danach gesucht. Unter anderem an der oben beschriebenen Forschungsgruppe. Die gibt es tatsächlich. Und zwar nicht irgendwo, sondern an der Harvard Medical School in Boston/USA, einer der berühmtesten Kliniken der Welt. Hier leitet der renommierte Psychiater Jerry Rosenbaum das Zentrum für die Neurowissenschaft von psychedelische Mittel.

Dass Psychedelika wie Ketamin, DMT, LSD, Psilocybin und MMDA (auch bekannt als Ecstasy) eine Wirkung bei psychischen Leiden hat, ist seit den 1960er-Jahren bekannt. Doch im Rahmen der Bekämpfung von Drogensucht in den folgenden Jahrzehnten ließ man davon ab, weiter zu forschen. Denn auch wenn diese Substanzen positive Wirkungen auf psychische Erkrankungen haben können. Es gibt da ein großes Problem, von dem die meisten schon mal gehört haben dürften:

Ecstasy und Co. machen süchtig.

Doch wie heißt es? In der Not trinkt der Teufel auch Weihwasser. Die Not ist groß in der Psychotherapie. Immer größer sogar. Seit etwa 20 Jahren beschäftigen sich Forscher wieder mit den Substanzen. Und entdecken erstaunliches. „Es sind nicht die Psychedelika selbst, die therapeutisch wirken“, sagt Jerry Rosenbaum. Vielmehr schaffen die Drogen einen Zustand, in dem die Psychotherapie, die Verarbeitung von emotionalem Material und vergangenen Traumata, so gehandhabt werden kann, dass man sich davon befreien kann, so der Forscher. Wenn man es gut macht, kann man tiefgreifende Veränderungen im Denken, Fühlen und Verhalten der Menschen bewirken – in manchen Fällen abrupt nach Jahren des Leidens.

Und die Sache mit der Sucht? Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Psilocybin den Status „breakthrough therapy“ zugesprochen. Damit sind Anwendungen in klinischen Studien möglich. Aber nur unter strengen Auflagen. Einnahme nur unter ärztlicher Aufsicht, in speziellen Kliniken.

Vorsicht in angebracht. Bei der Verschreibung von opioidhaltigen Schmerzmitteln war man laxer. Diese können bei Missbrauch auch zu Suchterscheinungen führen. Was in den USA in den letzten 20 Jahren zu einer wahren Opioidkrise geführt hat – mit Todesopfern durch Überdosierung in nie gekannten Ausmaß.

Dennoch sehen Wissenschaftler derzeit mehr Chancen als Risiken. Und Investoren sind bereit, Geld in die Forschung zu stecken. Laut Wirtschaftswoche flossen seit 2016 etwa 1.47 Milliarden US-Dollar in Psychedelika-Startups. Spitzenreiter unter den Investoren ist … eine deutsche VC-Company. Atai Life Sciences ist ein Mix aus Inkubator und Beteiligungsgesellschaft. Und hat unter anderem in Compass Pathways investiert. Compass arbeitet an einem Psilocybin-Wirkstoff, der bei Depressionen, Magersucht und Autismus zum Einsatz kommen soll.

Der Weg zur Zulassung wird vermutlich hart werden. Die Gefahr des Missbrauchs ist einfach sehr groß. Dementsprechend dürften die Auflagen umfangreich ausfallen. Und über allem liegt das Gesetz. Zwar hat die aktuelle Ampel-Koalition vor, Marihuana zu legalisieren. Aber süchtig machende Substanzen wie LSD und Ecstasy sind nochmal einen ganz andere Hausnummer.

Von Burkhardt Röper, 10. März 2022 · Bild: Marek Piwnicki@unsplash





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